In Folge der Kontroversen um Demokratieerziehung und politische Bildung der späten 1960er Jahre etablierte der sog. „Beutelsbacher Konsens“ als kleinster gemeinsamer Nenner die ein neues Selbstverständnis einer demokratischen politischen Bildung in der Bundesrepublik. Selbst aktuelle Ansätze wie die kritisch diskutierte „„Frankfurter Erklärung – Für eine kritisch-emanzipatorische Politische Bildung“[i] orientieren sich bis heute an den drei Kernsätzen der Konferenz über die erzieherischen Standards politischer Bildung in Erziehung in Baden-Württemberg von 1976.
Politische Bildung in der pluralen Demokratie: Der Beutelsbacher Konsens
Überwältigungsverbot (auch Indoktrinationsverbot) gegenüber Schülerinnen und Schülern
Lernende dürfen nicht durch den Kenntnisvorteil der Lehrenden „überwältigt“ und so zu erwünschten Haltungen angeleitet werden. Ergänzend ist hierbei das „Transparenzgebot“, das Lehrende in die Pflicht nimmt, ihre eigenen Werturteile und politische Haltungen zu formulieren und kenntlich zu machen. Vielmehr kommt Lehrende die Aufgabe zu, die Lernenden aktiv bei der Entwicklung eines eigenen politischen Urteils zu unterstützen. Hochproblematisch ist im Kontext des Machtgefälles die Möglichkeit von Lehrenden, die Lernenden aktiv an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern.
Kontroversitätsgebot
Was in Politik und Wissenschaft kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Somit beinhaltet das „Kontroversitätsgebot“ gleichzeitig ein „Multiperspektivitätsgebot,“ das das „Überwältigungsverbot“ inhaltlich ergänzt.
Anleiten zur eigenen Urteilsfähigkeit (Sach- und Werturteil) und politischem Handeln
Die Lernenden müssen „in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne [ihrer] Interessen zu beeinflussen.“[ii] Somit wird das politische Urteil und die Herausbildung kritischer Reflexionsfähigkeit mit dem Erwerb politischer Handlungsmacht und -vermögen von Lernenden verknüpft.
Weiterführende Literatur:
Massing, Peter (2021). Politische Bildung, in: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021.
Verweise im Text:
[i] Eis, Andreas/ Lösch, Bettina/ Schröder, Achim/ Steffens, Gerd (2015). Frankfurter Erklärung Für eine kritisch-emanzipatorische Politische Bildung Juni 2015, in: https://uol.de/f/1/inst/sowi/ag/politische_bildung/Frankfurter_Erklaerung_aktualisiert27.07.15.pdf (letzter Zugriff am 19.Juni 2025).
[ii] Hans-Georg Wehling (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Siegfried Schiele / Herbert Schneider (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 179f.