Soziale Arbeit mit Geflüchteten – Möglichkeiten und Grenzen der befreienden Praxis nach Freire

Ein Beitrag von Jessica Washburn – Sozialarbeiter*innen befinden sich regelmäßig im Dilemma des sogenannten „Tripelmandats“ (Lutz, 2020): Sie müssen eigene professionelle Haltungen und Werte wahren, die Rechte und Wünsche der Adressat*innen stärken und gleichzeitig den vom Staat erteilten Auftrag erfüllen.

Dieses dreifache Mandat spielt im Hinblick auf die Arbeit mit geflüchteten Menschen eine besondere Rolle: Im Spannungsfeld europäischer Eigeninteressen droht der Sozialen Arbeit eine zunehmende politische Instrumentalisierung. Dem könne nur durch eine Repolitisierung Sozialer Arbeit und die Unterstützung der Selbstbefreiung Geflüchteter begegnet werden, meint die Autorin.

Jessica Washburn, ehemalige Studentin an der Fachhochschule Erfurt, verbrachte im Rahmen ihres Masterstudiengangs Internationale Soziale Arbeit vier Monate im Geflüchtetenlager auf Lesbos und absolvierte dort ihr Praxissemester bei der internationalen NGO Fenix Humanitarian Legal Aid . In dieser Zeit unterstütze sie geflüchtete Menschen während des Prozesses der Antragstellung auf Asyl in der Europäischen Union.

Nach ihrer Praxisphase in einer Rechtsberatungsstelle für Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos im Rahmen ihres Studiums 2020, befasste sich die Autorin in ihrer Master-Thesis mit der Frage, inwieweit die Soziale Arbeit in der Zusammenarbeit mit selbstorganisierten Gruppen von Geflüchteten diesem Dilemma begegnen und einen Wandel der Sozialen Arbeit hin zu einer befreienden und emanzipativen Praxis bewirken könne. Auf Grundlage der im Rahmen der Masterarbeit durchgeführten Interviews mit selbstorganisierten Gruppen geflüchteter Menschen und humanitären Helfer*innen vor Ort, zeigt dieser Beitrag die Bedeutung und ungenutzten Potenziale von Selbstorganisation innerhalb einer Gemeinschaft (Community) auf und gibt Anregung, diesen Potenzialen zu größtmöglicher Wirkung zu verhelfen.

Das Dilemma der Sozialen Arbeit in der Geflüchtetenarbeit

Geflüchtete sind einem diskriminierenden System ausgesetzt, das Menschen illegalisiert und entscheidet, wer hilfsbedürftig ist und wer nicht (vgl. Collett 2004: 85). In einem Migrationsregime, das durch Kontrolle, Exklusion und Selektierung charakterisiert ist (vgl. Fleischmann 2020: 15; Kasparek 2016; Pichl 2021), läuft das humanitäre Hilfesystem Gefahr, selbst zur Verstärkung eines repressiven Systems beizutragen, indem es sich infolge eines mangelnden Selbstverständnisses nicht aktiv für die Rechte aller Hilfesuchenden einsetzt, sondern im Auftrag der Einwanderungsbehörden handelt (vgl. Collett 2004: 84).

Repression kann dabei definiert werden als die „[gewaltsame] Unterdrückung von Kritik,
Widerstand, politischen Bewegungen, individueller Entfaltung, individuellen Bedürfnissen“. (vgl
Duden o.D.).

Eine Soziale Arbeit, die nicht Unterdrückung reproduzieren und verstärken möchte, muss sich deswegen die Frage stellen, welche Konsequenzen die eigene Arbeit hat. Indem sich Soziale Arbeit für besonders schutzbedürftige Gruppen und Einzelpersonen einsetzt, erhöht sich die Bleibeperspektive Einzelner (Brown 2004: 107). Jedoch wird gleichzeitig auch jenes diskriminierende System getragen, das geflüchteten Menschen oftmals fundamentalste Grundrechte verwehrt. Darüber hinaus führt dies zu einer sozialen Stigmatisierung und Viktimisierung von Geflüchteten, indem das Bild des „traumatisierten und hilflosen Flüchtlings“ geschaffen wird (vgl. Ingleby 2005: 23; Swinton 2016: 22). Geflüchtete werden so zu Objekten der europäischen Verwaltung, der Wohltätigkeit oder im besten Fall des politischen Engagements (vgl. Picozza 2021:6) und dabei weit häufiger als Last wahrgenommen, als dass ihnen mit ihren Ressourcen Potenziale zugetraut würden (Harrell Bond 1986: 10 f.). Entsprechend dieser Logik übernehmen im Geflüchtetenlager auf Lesbos humanitäre Hilfsorganisationen seit Jahren Aufgaben in den Verwaltungs- und Aufnahmestrukturen, die eigentlich in der Verantwortung des Staates liegen und gleichzeitig mit den Betroffenen selbst organisiert werden sollten (vgl. Pichl 2021: 19 f.; Agier 2011: 155). Indem Hilfsorganisationen staatlichen Bürokratiestrukturen folgen und eine Kontrollfunktion einnehmen, werden geflüchtete Menschen zu Hilfeempfänger*innen reduziert (vgl. Møller 2015: 88; Jacobsen/Karlsen 2021: 12). Doch welche Möglichkeiten gibt es für die Soziale Arbeit ihrer eigenen reproduktiven Rolle von Unterdrückungsmechanismen entgegenzuwirken und sich entsprechend ihrer Haltung und Werten zu positionieren?

Notwendigkeit eines aktiven Befreiungsprozesses der Geflüchteten selbst

(c) Washburn 2021

Paulo Freire, Pädagoge und Vertreter der Befreiungspädagogik, sieht die einzige Möglichkeit, um sich aus derlei oppressiven Machtverhältnissen der Objektivierung zu lösen, in der aktiven Selbstbefreiung unterdrückter Individuen (vgl. Freire 2000: 56). In diesem Zusammenhang sei es für eine befreiende Sozialarbeit entscheidend, dass  Sozialarbeiter*innen gemeinsam mit den Menschen reflektierten und handelten, mit dem Ziel sich gemeinsam den realen und tiefergreifenden Herausforderungen der Gesellschaft bewusst zu werden (Minkler 2017: 26). Daran anschließend beschreibt Martín-Baró den sich hierbei vollziehenden Bewusstseinsprozess als transformativ, indem in einem aktiven Dialogprozess die Welt neu bewertet und alte Muster und Denkweisen aufgebrochen würden. Dies sei nur durch eine solche befreiende Praxis möglich, in der sich die Menschen der Mechanismen der Unterdrückung und Entmenschlichung im bestehenden System bewusst werden.

Durch diese Neubewertung der Umwelt könnten die Menschen zu einem neuen Selbstverständnis gelangen, indem sie erkennen, was sie in ihrem Wesen sind und zu was sie werden können. (vgl.Burton/Kagan 2009: 56). Doch wie lässt sich die Vorstellungswelt der Befreiungspädagogik nach Freire auf die konkrete Situation der geflüchteten Menschen in Geflüchtetenlagern wie auf Lesbos übertragen? Um dieser Frage nachzugehen und um Geflüchtete Menschen als aktive Akteure ihrer eigenen Lebenswelt sichtbar zu machen, ist es notwendig sich eingehender mit dem Geflüchtetenlager als Sozialraum auseinanderzusetzen.

Selbstorganisation geflüchteter Menschen und ihre fehlende Sichtbarkeit

Während Flüchtlingscamps eigentlich nur eine vorübergehende Lösung sein sollten, müssen Menschen dort regelmäßig viele Jahre ausharren. (vgl. Al-Nassir 2016: 1). Während dieser Zeit wird geflüchteten Menschen ihre Eigenmacht und damit ihre Selbstwirksamkeit abgesprochen. Gleichzeitig wird der Raum, in dem sie sich bewegen, aus einer einseitig problemzentrierten Perspektive betrachtet. Abourahme kritisiert hierzu, dass Flüchtlingslager auf einen vorgegebenen und statischen Ort reduziert würden (vgl. Abourahme 2014: 2). Sara Al-Nassir führt weiter aus, dass Geflüchtentenlager als re-kreative oder sich selbst organisierende Systeme betrachtet werden können und daher nicht nur Probleme, sondern auch die damit verbundenen Möglichkeiten fokussiert werden sollten. Als solches bietet das Geflüchtetenlager auch einen Raum der Selbstorganisation und der Gestaltung durch die Gemeinschaft. Es sei kein Ort, an dem man nur abwarte, was passiert, sondern ein Ort, an dem sich die Menschen aktiv selbst organisieren und sich gemeinsam für strukturelle Veränderungen einsetzen könnten. (vgl. Al-Nassir 2016: 3)

Selbstorganisation geflüchteter Menschen auf Lesbos und Möglichkeiten der Zusammenarbeit

Im Geflüchtetenlager auf Lesbos organisieren sich geflüchtete Menschen in Gruppen zur gemeinschaftlichen Lösung von Problemen, wie beispielsweise zur Aufklärung der CampBewohner*innen hinsichtlich notwendiger Maßnahmen während der Corona-Pandemie oder der Sicherstellung des Zugangs zu Bildungsangeboten für Kinder (vgl. Stand by me Lesvos o.D.; Wave of Hope for the Future o.D.) Die selbstorganisierten Gruppen kooperieren mit internationalen oder griechischen Akteur*innen und Hilfsorganisationen und werden auch durch diese gefördert (vgl. Stand by me Lesvos o.D.). Um der Frage nach den Möglichkeiten einer mehr emanzipativen Sozialen Arbeit nachzugehen, führte die Autorin im Rahmen ihrer Masterarbeit im Zeitraum vom 28. April bis 28. Juni 2021 zehn Interviews mit acht verschiedenen Akteur*innen, durch. Dabei sollten die Perspektive Geflüchteter, die sich in Gruppen selbst organisieren, von NGO-Mitarbeiter*innen aus dem internationalen sowie griechischen Kontext, sowie der Sozialen Arbeit zusammengeführt werden. Wichtig für die im Rahmen der Masterarbeit von der Autorin interviewten Sozialarbeiterin G. ist, dass Humanitäre Hilfsorganisationen Bottom-up-Ansätze verfolgen sollten (1). Grundprinzip des Bottom-up-Ansatzes ist es, so Lavareck, dass die betroffene Gruppe oder Gemeinschaft ihre Probleme selbst identifiziere und diese dann den Entscheidungsträgern, z. B. der jeweils zuständigen Behörde, im Anschluss mitteile (Laverack 2008: 737). Diese Übertragung von Verantwortung, flache Hierarchien und eine Kommunikation auf Augenhöhe sei laut H., einer internationalen Freiwilligen von Stand by me Lesvos für eine erfolgreiche Zusammenarbeit humanitärer Helfer*innen und der Flüchtlingsgemeinschaft hilfreich gewesen, insbesondere als das Projekt sich vergrößerte und neue Projekte etabliert wurden(2).

(c) Washburn 2021

Darüber hinaus ist es jedoch auch nötig, das Hilfssystem aktiv zu hinterfragen und Diskriminierung zu bekämpfen, sowie das Machtgefälle zwischen Freiwilligen, humanitären Helfer*innen und geflüchteten Menschen zu thematisieren, die durch den Ethos der humanitären Hilfen als Akt der Wohltätigkeit, entstehen (vgl. Harrell-Bond 2002: 55). Problematisch sei dabei, so die Sozialarbeiterin G., dass europäische oder amerikanische Volunteers die Koordination der Hilfen übernehmen und über die Implementierung entscheiden, wodurch eine Abhängigkeit erzeugt werde. O. vom Moria Corona Awareness Team berichtet, dass die Gruppe lange Zeit um ein eigenes Büro innerhalb des Camps habe kämpfen müssen, während andere humanitäre Hilfsorganisationen ohne größere Hindernisse entsprechende Lokalitäten auf dem Camp-Gelände erhalten hätten³.

Moria Corona Awareness Team (MCAT): Die Gruppe beschreibt sich in ihrer Online-Präsenz auf Facebook als selbstorganisierte Gruppe, welche das Ziel verfolgt, der Covid-19 Pandemie zu begegnen und diese zu bekämpfen. Dabei arbeitet sie mit griechischen und internationalen Hilfsorganisationen zusammen. Die Gruppe besteht aus Menschen verschiedenster Nationalitäten und Professionen. (vgl. Moria Corona Awareness Team o.D.)

H. von „Stand by me Lesvos“ beschreibt zudem, dass NGOs zu offiziellen Camp Meetings eingeladen
werden, selbstorganisierte Gruppen aber zumeist außen vor gelassen werden. Ferner sollten die Interessen von NGOs und Freiwilligen offengelegt und im Hinblick auf das Wohl der Flüchtlingsgemeinschaft reflektiert werden. G. betont in diesem Kontext, dass NGOs nicht um ihrer Selbsterhalt willen agieren dürften, sondern immer wieder neu überprüfen müssen, inwieweit die Hilfe von Nöten und wirklich gewünscht ist. Um eine effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen
und ein sinnvolles Hilfesystem zu kreieren, müsse zudem ein Netzwerk geschaffen und die Kooperation der einzelnen Akteure verbessert werden. Laut F., der Gründerin der internationalen Tolou Association, erweist sich dies aufgrund von Konkurrenzdenken und Eigeninteressen jedoch häufig als schwierig (4).

(c) Washburn 2021

Die Soziale Arbeit könne hier laut G. eine wichtige Rolle spielen. Mit ihren Kompetenzen, wie der Netzwerkarbeit und der Fähigkeit, eine umfassende Perspektive einzunehmen, könnte sie zu einem vertieften Problembewusstsein und einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren, sowie zur Entwicklung eines Hilfesystems beitragen, das seine eigene Existenz und Rolle ständig hinterfragen sollte. Insgesamt zeigen die Interviews, dass durch verschiedene Projekte im Camp, die von  selbstorganisierten Gruppen in Zusammenarbeit mit NGOs durchgeführt wurden, nicht nur verschiedene Probleme wirksam angegangen und konkrete Verbesserungen erreicht werden, sondern laut den Erzählungen von H., auch neue Bedürfnisse ermittelt und Lösungen entwickelt werden konnten.

Was bedeutet es für die Menschen, sich in der Community zu organisieren?

Im Gespräch mit einigen der in Gruppen selbstorganisierten Menschen wird deutlich, dass durch das Zusammenrücken und die Zusammenarbeit der Gemeinschaft nicht nur die Lebensbedingungen der Bewohner*innen im Lager verbessert werden konnten, sondern ein transformativer Prozess auf kollektiver und individueller Ebene in Gang gesetzt wurde.

Für die Flüchtlingsgemeinschaft bedeutet dieser Prozess laut R., dem Gründer von RAD MUSIC INTERNATIONAL, dass national und ethnisch bedingte Probleme und Trennungen im Camp abgenommen hätten und ein größerer Zusammenhalt zwischen den geflüchteten Menschen entstanden sei sowie auch die damit verbunden Bereitschaft, sich gegenseitig zu unterstützen (5). Diese Hilfe sei, so R., nicht durch außenstehende humanitäre Hilfen zu ersetzen, da nur ein Mensch in derselben Situation wirklich mitfühlen könne. O. beschreibt dazu außerdem, dass Hilfen innerhalb der Gemeinschaft eine große Wirkung zeigten, da durch die gemeinsam geteilte Notlage, aber auch durch den sprachlichen Zugang, das notwendige Vertrauensverhältnis geschaffen werde, Hilfen anzunehmen und mitzuarbeiten.

Zusammenfassend verleiht die Möglichkeit, sich selbst zu organisieren und nach Lösungen zu suchen, Geflüchteten ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, welches O. als notwendig beschreibt, um mit der schwierigen Lebenssituation umzugehen und sich von auferlegten Stigmata und Zuschreibungen zu befreien. Z. führt zudem an, dass dies dazu führe, dass geflüchtete Menschen gesellschaftlich anders wahrgenommen würden, nämlich nicht mehr als hilflose und passive Opfer (6). Y. beschreibt, dass ihre Beteiligung an selbstorganisierten Initiativen Geflüchteter ihr Selbstvertrauen, ihr Selbstwertgefühl und den Glauben an ihre Selbstwirksamkeit gestärkt habe (7).

Konsequenzen für die Entwicklung einer emanzipatorischen Sozialen Arbeit

Wenn von einer befreienden Sozialen Arbeit gesprochen wird, stellt sich abschließend die Frage, welche Barrieren Menschen daran hindern, aktiv zu werden, und wie diese abgebaut werden können. R. beschreibt, wie finanzielle Not, Angst vor rechtlichen Problemen und der Ablehnung des Asylantrags, sowie Sprachbarrieren Menschen daran hindern können, selbst aktiv zu werden. Zudem betonen O. und R. das Problem der Repression von Selbstorganisation und freier Meinungsäußerung.

Weitere Komplikationen entstünden laut O. aus dem Machtgefälle zwischen NGOs und selbstorganisierten Gruppen im Camp, sowie der fehlenden Einbeziehung der Campbewohner*innen in Entscheidungsprozesse. Ein besonderes Hindernis stelle schließlich der fehlende politische Wille zur sozialen Integration dar, wie C. von der griechischen Hilfsorganisation Siniparxi dies anmahnt (8). Eine befreiende Soziale Arbeit muss diese Barrieren zur Selbsthilfe der Menschen abbauen. Voraussetzung dafür ist aber auch ein politischer Wille zur Veränderung, insbesondere auf rechtlicher Ebene. Dazu gehört, dass die humanitäre Hilfe selbst zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn sie die Rechte der Menschen missachtet (vgl. Harrel-Bond 2002:53). Daher kann Soziale Arbeit sich nicht als unpolitisch verstehen, sondern bedarf einer Repolitisierung. Dies meint auch, dass eine nach Befreiung strebende Soziale Arbeit sich der bestehenden Dilemmata und ihrer eigenen Rolle als Teil eines Unterdrückungssystems bewusst werden muss. Eine Überwindung ist dabei nur durch die Selbstbefreiung der Unterdrückten möglich. Denn erst dann, wenn alle Menschen in den eigenen Befreiungsprozess eingetreten sind, kann sich auch Soziale Arbeit ihrer Funktion Unterdrückung innerhalb des Systems zu reproduzieren entledigen(vgl. Freire 2005: 56).

 



1
G. (59 Jahre alt) aus der Schweiz, ist Erzieherin und Sozialarbeiterin. Ihr besonderer Schwerpunkt im Studium war die
Gemeinwesenarbeit. Seit 2019 war sie mehrmals auf Lesbos und hat dort für verschiedene Hilfsorganisationen
gearbeitet.
2
H. (Alter unbekannt) ist amerikanische Staatsbürgerin und arbeitet zum Zeitpunkt des Interviews seit 4-einhalb Jahren
auf Lesbos in der Geflüchtetenarbeit für das Projekt Stand by me Lesvos, welches eng mit selbstorganisierten Gruppen
im Camp kooperiert. Sie hat zuvor in der USA Politik- und Wirtschaftswissenschaften studiert.
3
O. (32 Jahre alt) aus Afghanistan ist von Beruf Pharmazeut und kam mit seiner Frau und deren gemeinsamen Sohn am
09. November 2019 nach Lesbos. Zum Zeitpunkt der Befragung warteten die Familie noch immer auf den Asylbescheid
und die damit verbundene Entscheidung, ob sie ein Bleiberecht erhalten werden. O. ist einer der Koordinatoren und
Mitgründer des Moria Corona Awareness Teams (MCAT).

4
F. (31 Jahre alt) aus Frankreich hat einen Master-Abschluss in Politikwissenschaft und ist Co-Direktorin eines
internationalen Transportunternehmens. Sie hat mehrere Jahre im Mittleren Osten und im Iran gearbeitet und spricht
Arabisch und Dari. 2020 gründete sie die Tolou Association, mit dem Ziel, den Ausbau der durch die Flüchtlingsgemeinschaft selbstorganisierten Bildungsangebote im Camp zu unterstützen.

5
R. (31 Jahre alt) aus dem Kongo ist Künstler und Musiker und hat sich im Kongo mit Marketing und
Computertechnik auseinandergesetzt. Er ist 2017 nach Lesbos gekommen, da er aus dem Kongo aus Sicherheitsgründen
fliehen musste. Zum Zeitpunkt des Interviews wartete er immer noch auf seinen Asylbescheid. 2018 gründete er die
Gruppe RAD MUSIC INTERNATIONAL, ein Musik-, Tanz- und Bildungsprojekt, welches als Ziel verfolgt Menschen
zusammenzubringen, diesen Freude durch Musik zurückzubringen und für die Achtung der Menschenrechte aller
Menschen zu kämpfen.
6
Z. (42 Jahre alt) floh 2018 mit seiner Frau und seinen fünf Kindern aus Afghanistan. Sie leben heute in der Schweiz,
nachdem sie zuvor einige Zeit in Griechenland verbracht und auch ein Jahr lang im Flüchtlingslager auf Lesbos
gelebt haben. Z. ist Journalist und hat in Afghanistan für die US-Armee unter anderem als Übersetzer und Teamleiter
für Sicherheitsfragen gearbeitet. Während seines Aufenthalts auf Lesbos im damaligen Camp Moria erlebte er wie
unzureichend der Zugang zu Bildung für Kinder und auch Erwachsene ist, und gründete daraufhin die Organisation
Wave of Hope for the Future
7
Y. (18 Jahre alt) kommt aus Afghanistan und war zum Zeitpunkt des Interviews seit zwei Jahren im Geflüchtetenlager
auf Lesbos. Sie arbeitet bei Wave of Hope for the Future als Freiwillige und unterrichtet dort Kinder und Erwachsene.

8
C. (69 Jahre alt) aus Griechenland ist auf Lesbos geboren und aufgewachsen und engagiert sich seit ihrer Jugend in
sozialen und politischen Projekten. In den 90er Jahren hat sie die Organisation Siniparxi, mitgegründet, welche damals
das Ziel verfolgte den zu diesem Zeitpunkt aufkommenden Rassismus und die Propaganda gegen Menschen aus der
Türkei zu bekämpfen. Heute unterstützt Siniparxi sowohl griechische Bürger als auch Geflüchtete bei der Sicherstellung
ihrer Grundbedürfnisse und fördert selbstorganisierte Initiativen geflüchteter Menschen.

 

Jessica Washburn schloss ihr Masterstudium der Internationalen Soziale Arbeit an der FH Erfurt im Herbst 2021 ab. In ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit der Frage, wie emanzipatorische Soziale Arbeit im Kontext von Forced Migration aussehen kann und wie diese selbstbestimmte Eigeninitiativen und Selbstorganisation unterstützen und stärken kann. Ihr Praxissemester absolvierte sie auf Lesbos in Griechenland und arbeitete dort als Protection Officer in einer Rechtsberatungsstelle.

Disclaimer: Inhaltliche und politische Positionierungen und Äußerungen unserer Autor*innen und Interviewpartner*innen geben die Meinung der Autor*innen und Interviewpartner*innen wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der RUK-Redaktion.
Bibliographie 

Abourahme, Nasser (2014). Assembling and spilling-over: towards an ‘Ethnography of Cement’ in a Palestinian Refugee Camp. In: International Journal of Urban and Regional Research 39 (2), 200 – 217.

Agier, Michel, Managing the Undesirables (2011). Refugee Camps and Humanitarian Government. © Polity Press, Cambridge.

Al-Nassir, Sara (2016). Brief for GSDR – 2016 Update. Refugee Camps as a Spatial Phenomenon of Self-Organization.
URL: https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/973133_Nassir_Refugee%20Camps%20as%20a%20Spatial%20Phenomenon%20of%20Self-Organization.pdf (03.05.2022).

Brown, Chris (2004). Social Work Intervention: The Deconstruction of Individuals as a Means of Gaining a Legislative Perspective to Remain in the United Kingdom. In: Hayes, Debra (Hg.); Humphries, Beth (Hg.). Social Work, Immigration and Asylum. Debates, dilemmas and ethical issues for social work and social care practice. Jessica Kingsley Publishers, London – Philadelphia, 96 – 110.

Burton, Mark; Kagan, Carolyn (2009). Towards a Really Social Psychology: Liberation Psychology Beyond Latin America. In: Montero, Maritza (Hg.); Sonn, Christopher C. (Hg.). Psychology of Liberation. Theory and Applications. Springer, Melbourne, 51 – 72.

Collett, John (2004). Immigration is a Social Work Issue. In: Hayes, Debra (Ed.); Humphries, Beth (Ed.). Social Work, Immigration and Asylum. Debates, dilemmas and ethical issues for social work and social care practice. Jessica Kingsley Publishers, London – Philadelphia, 77 – 95.

Duden (k.D.). https://www.duden.de/rechtschreibung/Repression (29.08.2022)

Fleischmann, Larissa (2020). Contested Solidarity Practices of Refugee Support between Humanitarian Help and Political Activism. © 2020 transcript Verlag, Bielefeld.

Freire, Paulo (2000). Pedagogy of the oppressed. 30th Anniversary Edition, translated by Myra Bergman Ramos, with an Introduction by Donaldo Macedo. The Continuum International Publishing Group Inc., New York.

Harrell-Bond, Barbara (1986). Imposing Aid: Emergency Assistance to Refugees. Oxford University Press, New York.

Herausgeberschaft, Redaktionelle Betreuung und Endredaktion: Miriam Müller-Rensch