„Wie geht zusammen? Perspektiven in einer vernetzten Welt.“ Summerschool der Ernst-Abbe-Hochschule Jena – ein Beitrag von Alina Oftadeh.

Digitalisierung prägt mehr und mehr unser Zusammenleben als Gesellschaften. Dies wirkt auch auf demokratiegefährdende Prozesse – die Mobilisierung für Proteste gegen die Covid-19-Maßnahmen der Regierung, rechte Chatforen oder antisemitische und rassistische Hatespeech online. Gegen diese Entwicklungen sind Akteur*innen der Zivilgesellschaft häufig (noch) nicht ausreichend gewappnet: Antidemokratische Dynamiken sind erfolgreichen Gegenstrategien oft einen Schritt voraus.

Der Studiengang „Civic Education. Demokratiearbeit in der digitalisierten Gesellschaft“ (MA) macht es sich zur Aufgabe, dieses Vakuum zu füllen: in Kooperation des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) unter Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung, sowie der Ernst-Abbe-Hochschule entstand die Initiative zur Entwicklung des Studiengangs. Der erste Jahrgang wird zum Sommersemester 2023 beginnen. Konkret wird der Master sich Fragen des sozialen Zusammenhalts und Umgangs mit vulnerablen Gruppen widmen, sowie der Fragestellung, wie politische Bildung in Zeiten von Digitalisierung aussehen kann. Es werden die Medienkompetenz gestärkt und Inhalte zu Demokratie, Zivilgesellschaft, Digitalisierung und Partizipation, Gerechtigkeit und Gleichbehandlung vermittelt. Die Absolvent*innen qualifizieren sich für ein breites Arbeitsfeld, von Beratungsstellen und Gedenkstättenarbeit, über politische Bildung und Demokratieförderung, bis hin zur Arbeit in der Kita- und Schulentwicklung.

Als Auftaktveranstaltung für den Master fand im September 2022 eine Summerschool mit dem Titel „Wie geht zusammen? Perspektiven in einer vernetzten Welt“ statt. Diese sollte Studieninteressierte und Multiplikator*innen zusammenzuführen und Austausch ermöglichen. Während der Summerschool wurden hierzu zwei Workshops angeboten: „Digitale Gefährdungspotenziale – Grundlagen der Social Media Analyse“, welcher sich mit der Zunehmenden rechten Vereinnahmung Sozialer Netzwerke an den Beispielen Facebook und Telegram beschäftigte. Sowie der Workshop „What if I do or say something wrong? Intercultural competence training”, in dem es um die Erweiterung der eigenen interkulturellen Kompetenz durch das Erkennen und Dekonstruieren essentialisierender Zuschreibungen ging.

Am dritten Tag der Summerschool fand außerdem eine für die Öffentlichkeit zugängliche Podiumsdiskussion mit dem Titel „Digital zusammen – politisch getrennt: Wie formen soziale Medien die Gesellschaft?“ statt. Hierzu waren die grüne Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling, Publizistin Katharina Nocun, Rechtsextremismusforscher Prof. Dr. (c) Oftadeh 2022 Matthias Quent sowie der pädagogische Leiter der Europäischen Jugendbildungsstätte Weimar, Eric Wrasse, geladen. Die Kernthese, welche während der Podiumsdiskussion sowohl durch das Publikum, als auch die Redner*innen formuliert wurde: es braucht mehr Medienkompetenz – und zwar nicht, wie oft angenommen, nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch und gerade bei älteren Generationen. Diese würden laut Henfling Fake News deutlich häufiger teilten als Jüngere. Auch das Verschieben von Menschen in digitale Filterblasen und Echokammern und dynamische Veränderungen, was die Gatekeeper auf Social Media anbelangt, spielen laut Nocun eine maßgebliche Rolle. Von allen vier Redner*innen und auch der Moderation und Leiterin des Studiengangs Civic Education, Prof. Dr. Nicole Harth, wurde eine Hilflosigkeit digitaler demokratischer Zivilgesellschaften formuliert. Es brauche in der politischen Bildung mehr strukturelle statt immer wieder projektbasierte Arbeit, die keine grundlegende Veränderung herbeiführen könne, so Wrasse. Außerdem, so waren sich alle Redner*innen einig, müssten die Menschen mehr in ihrer Lebensrealität, also z.B. am Arbeitsplatz, abgeholt werden, anstatt das Feld der digitalen Kompetenzausbildung auf die private Weiterbildung zu verlagern.

 

Fake News: Erfundene Nachrichten, oder auch wahre Nachrichten, zu denen etwas Unwahres hinzugefügt wurde. Können genutzt werden, um die öffentliche Meinung über Einzelpersonen oder Gruppen (negativ) zu beeinflussen (vgl. Andorff-Woller 2019, o.S.).

 

Filterblasen/Echokammern: 

Als Filterblasen wird „die selektive Informationsauswahl auf Webseiten durch Berücksichtigung des Nutzerverhaltens“ bezeichnet (vgl. Schmarzoch 2018, o.S.). Dies bedeutet, dass die Nutzung der Sozialen Medien jeder*s Einzelne*n durch Algorithmen bestimmt wird, die an das individuele Nutzungsverhalten angepasst sind. Dadurch können mitunter Echokammern entstehen, also Räume, in denen „die eigene Meinung gespiegelt und nicht mit anderen Meinungen konfrontiert wird, sodass es automatisch zu einer Verstärkung der eigenen Meinung kommt“ (Stangl 2022, o.S.).

 

Gatekeeper: Gatekeeper (dt.:Torwächter) beschreibt eine Form der Nachrichtenregulation, welche vor allem durch Medien und Journalist*innen ausgeführt wird: diese wählen aus der Fülle der Informationen aus, was über ihre Kanäle weitergegeben werden soll. Gatekeeping existiert sowohl im analogen, als auch im digitalen Raum, ist jedoch in letzterem deutlich schwieriger umsetzbar, bzw. mit neuen Herausforderungen verknüpft, da der Informationsfluss hier sehr niedrigschwellig und dynamisch ist (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung o.J., o.S.).

Mit Entstehen des Masters ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung getan: Schnittstellen der Demokratieförderung und Digitalisierung werden somit im Kern eines Studiengangs verankert und nicht bloß als optionale Schwerpunktsetzungen betrachtet. Dies ist der Anfang einer Fokussierung auf die Potenziale, Herausforderungen und Gefahren der Digitalisierung für die demokratische Zivilgesellschaft. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass neben weiteren deutschlandweiten Studiengängen auch strukturelle und politische Lösungen folgen, die sich der Thematik annehmen.

 

Die Bewerbungsfrist für den Master „Civic Education – Demokratiearbeit in der digitalisierten Gesellschaft“ läuft vom 01.12.2022 bis 15.02.2023. Sie können sich hier bewerben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen:

Andorff-Woller, Maximilian (07.02.2019): „Fake News“, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/258073/fake-news/ [07.12.2022]

Bundeszentrale für politische Bildung (o.J.): „Gatekeeper“, https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/medienpolitik/500676/gatekeeper/, [07.12.2022]

Schmarzoch, Raphael (15.11.2018): „Filtern als Kulturtechnik“, Deutschlandfunk Kultur, https://www.deutschlandfunkkultur.de/filterblasen-echokammern-co-filtern-als-kulturtechnik-100.html [07.12.2022]

Stangl, Werner (o.J.): „Echokammer-Effekt“, Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/30157/echokammer-effekt [07.12.2022]