Die Ringvorlesung der Fachhochschule Erfurt will mit der Betrachtung aktueller Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zu Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt, sowie Dynamiken von Radikalisierung einen Beitrag leisten, die vielen Gesichter der Antidemokratie nicht nur zu [Erkennen] und zu [Verstehen], sondern uns bestärken, ihnen aktiv [Entgegenzutreten]. Im Verlauf des WS 2022/23 adressiert die Ringvorlesung Ideologie, Organisation und Strategien der „neuen Rechten“, beschäftigt sich mit den Verquickungen von Antisemitismus und Verschwörungsideologien, beleuchtet rechte Bewegungen an Hochschulen und wirft einen vergleichenden Blick auf Dynamiken rechter und religiöser Extremismen.
Veranstaltungshinweise: Die verbleibenden Vorträge finden ausschließlich digital jeweils an einem Dienstag von 19:00 – 21:00 Uhr statt.
Ort: Audimax der FH Erfurt auf dem Campus der Altonaer Straße 25 und/oder digital
GESICHTER DER ANTIDEMOKRATIE
Vorträge (präsenz und digital):
25. Oktober 2022: Im „Kulturkampf“ – Wie die extreme Rechte die ideologische Vorherrschaft erringen will – Felix Steiner, MOBIT
08. November 2022: Antisemitismus im Internet – Jan Rathje, CEMAS
22. November 2022: (Extrem) rechte Erscheinungsformen an Hochschulen. Analysen und Handlungsstrategien – Prof. Dr. Heike Radvan, BTU Cottbus
24. November 2022: Feindliches Klima: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende – Prof. Dr. Matthias Quent, HS Magdeburg (ab: 19.30 Uhr!)
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6. Dezember 2022: Verschwörungsideologien – Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung
10. Januar 2022: BFF – Best Frenemies Forever: Zur Hassliebe von Jihad und extremer Rechter – Prof. Dr. Miriam Müller-Rensch, FH Erfurt/RUK
25. Oktober 2022: Im „Kulturkampf“ – Wie die extreme Rechte die ideologische Vorherrschaft erringen will – Felix Steiner, MOBIT
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Die extreme Rechte ist kein einheitlicher Akteur und verfolgt daher auch verschiedene strategische Ansätze. Besonders in den zurückliegenden Jahren hat die „Neue Rechte“ – auch über die AfD – an Bedeutung gewonnen. Ihre Strategie richtet sie auf das Ziel der „kulturellen Hegemonie“ aus. Damit einher gehen nicht zuletzt gezielte Angriffe auf die Zivilgesellschaft. Mit der immer wiederkehrenden Forderung nach vermeintlicher Neutralität soll ein Einfallstor für rechte Ideologie geschaffen werden. Im Kern geht es dabei um die Delegitimierung der Demokratie und ihrer Werte. Neben einer begrifflichen Einordnung erläutert der Vortrag aktuelle strategischen Optionen der extremen Rechten – zwischen einer „Kulturrevolution“ und „Aufständen“. Zuletzt sollen gesellschaftliche Handlungsoptionen besprochen und diskutiert werden.
Felix Steiner (M.A.) studierte Politikwissenschaft, Germanistik und Bildungswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen. Seit 2013 arbeitet er bei der Mobilen Beratung in Thüringen. Für Demokratie – gegen Rechtsextremismus (MOBIT). MOBIT ist Kooperationspartner der Verweisberatung zu Diskriminierung, Radikalisierung und Gewalt der FH Erfurt.
08. November 2022: Antisemitismus im Internet – Jan Rathje, CEMAS
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Antisemitismus ist ein globales Problem. Dies haben zuletzt etwa die Proteste gegen die Regierungsmaßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie gezeigt. So wurden im Frühjahr gegen Asiat:innen gerichtete rassistische Äußerungen gestreut, laut denen das Virus allein durch diese Bevölkerungsgruppe verbreitet würde. Darüber hinaus wurde prominenten Jüdinnen und Juden unterstellt, sie würden das Virus nutzen, um einen geheimen Plan zur Erringung der Weltherrschaft umzusetzen. Besonders das Internet eignet sich als Kommunikationsraum für antisemitische Inhalte, da die Stigmatisierung von Antisemitismus online weitaus weniger verankert ist als offline. Der Vortrag führt in die verschiedenen Ausdrucksformen von Feindschaft gegenüber Jüdinnen:Juden ein. Zudem wird anhand von aktuellen Beispielen aus der Onlinekommunikation aufgezeigt, wie Antisemitismus milieuübergreifend verbreitet wird.
Jan Rathje ist Politikwissenschaftler und arbeitet gegenwärtig beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Von 2013 bis 2014 war er in der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein tätig. Zwischen 2015 und 2020 leitete er mehrere Projekte zu Verschwörungsideologien und Antisemitismus für die Amadeu Antonio Stiftung. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Online-Rechtsextremismus, Verschwörungsideologien, Antisemitismus sowie verschwörungsideologischer Souveränismus von „Reichsbürgern“ und anderen.
22. November 2022: (Extrem) rechte Erscheinungsformen an Hochschulen. Analysen und Handlungsstrategien – Prof. Dr. Heike Radvan, BTU Cottbus
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Hochschulen sind auf verschiedenen Ebenen mit Erscheinungsformen konfrontiert, die als (extrem) rechts bezeichnet werden können. Bislang wird hierzu jedoch keine ausführliche Fachdebatte geführt; entsprechende Forschung läßt sich anhand verschiedener Fragestellungen als Leerstelle beschreiben. Dennoch liegen mehrjährige Beobachtungen und Analysen sowie Erfahrungen aus der Beratungsarbeit vor. Auf dieser Basis liefert der Vortrag im ersten Teil eine Problembeschreibung und Begriffsdefinition. Daran anschließend werden Herausforderungen für den Bereich der Lehre anhand von Fallbeispielen vertiefend diskutiert und Handlungsmöglichkeiten vorgestellt.
Prof.*in Dr.*in Heike Radvan studierte Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Im Jahr 2009 wurde sie an der Freien Universität Berlin als Erziehungswissenschaftlerin zum Thema “Pädagogisches Handeln und Antisemitismus” promoviert. Von 2002-2017 war sie für die Amadeu Antonio Stiftung in den Bereichen „Praxisforschung und Projektentwicklung“ tätig. Seit 2011 war sie verantwortlich für den Aufbau und die Leitung der „Fachstelle Gender und Rechtsextremismus“ der Amadeu Antonio Stiftung sowie für den stiftungsnahen Verein „Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern“. Zudem zeichnete sie verantwortlich für die Projektkonzeption und Koordination der Ausstellungen der Amadeu Antonio Stiftung „Das hat’s bei uns nicht gegeben!“ Antisemitismus in der DDR (2007) und Germany after 1945: A society confronts antisemitism, racism and neo-nazism (2012). Seit dem Sommersemester 2017 ist Heike Radvan Professorin für „Methoden und Theorien Sozialer Arbeit“ an der Brandenburgisch-Technischen Universität in Cottbus. Im Jahr 2020 war sie Preisträgerin des Alice-Salomon-Award.
24. November 2022 (ab: 19.30 Uhr!): Feindliches Klima: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende – Prof. Dr. Matthias Quent, HS Magdeburg
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Weltweit blockieren rechte Parteien und Netzwerke effektiven Klimaschutz. Das ist kein Zufall: Denn die Hauptverantwortung für den Klimawandel trägt der reiche globale Norden, aber seine Opfer sind vor allem ohnehin benachteiligte Menschen –hierzulande und im globalen Süden. Weiße Vorherrschaft, extreme Ungleichheit und die Ausbeutung von Menschen und der Umwelt gehen Hand in Hand. Um Klimarassismus und -klassismus zu verschleiern, leugnen viele, dass die Erderhitzung überhaupt ein Problem ist.
Matthias Quent ist Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Er gründete und leitete bis 2022 das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena. Quent forscht und lehrt unter anderem zu Rechtsradikalismus, Folgen der Digitalisierung, zu Demokratieförderung und zu gesellschaftspolitischen Fragen der ökologischen Transformation. Als medial gefragter Experte, Redner und Sachverständiger berät und unterstützt er Aktivitäten zur Stärkung demokratischer Kultur in unterschiedlichen Kontexten. Sein Sachbuch „Deutschland rechts außen“ (Piper, 2019) stand auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde mit dem Preis „Das politische Buch 2020“ der Friedrich-Ebert-Stiftung ausgezeichnet. Quent studierte Soziologie, Politikwissenschaft und Neuere Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der University of Leicester (UK).
6. Dezember 2022: Verschwörungsideologien – Benjamin Winkler, Amadeu Antonio Stiftung
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Die Corona-Pandemie hat in Deutschland ein neues Phänomen sichtbar werden lassen, das bisher eher unter dem Radar zu sehen war. Mit dem Begriff Querdenken verbinden wir heute Gruppen oder Protestformen, die sich vor allem durch eine weitläufige Verschwörungsgläubigkeit ausdrücken. In der Pandemie wurde behauptet, Corona sei wahlweise ein Fake oder würde von den Herrschenden hinsichtlich seiner Gefahren maßlos übertrieben. Dahinter vermuteten die Querdenker eine Verschwörung einer nationalen oder internationalen Elite. Zwar gab es Querdenken vor der Pandemie als Organisationsform nicht, aber die Bereitschaft an Verschwörungen zu glauben ist keineswegs neu. In sozialwissenschaftlichen Studien war schon seit Längerem zu lesen, dass bis zu 50% der Deutschen eine zumindest latente Verschwörungsmentalität besitzen. Ereignisse wie die Mondlandung 1969, der 11. September 2001 oder die Banken- und Finanzkrise 2008 wurden auch früher schon als Reproduktionsraum für Verschwörungsideologien verwendet. Der Vortrag geht der These nach, dass der gesellschaftliche Resonanzraum für Verschwörungsgläubigkeit sowohl eine Möglichkeit schafft, dass sich Menschen aus der bürgerlichen Mitte zum Rechtsextremismus als auch zum Antisemitismus radikalisieren können. Anhand von Beispielen aus den vergangenen Jahren sowie einer Auseinandersetzung mit den so genannten Montagdemos der Querdenker werden Narrative, Muster-Erzählungen und politische Strategien nachgezeichnet. Der Vortrag versucht auch die Frage zu beantworten, wie eine individuelle und gesellschaftliche Reaktion der Demokrat*innen aussehen kann.
Benjamin Winkler ist Soziologe und arbeitet als Projektleiter und Fachreferent bei der Amadeu Antonio Stiftung in Leipzig. Als Soziologe befasst sich Winkler seit vielen Jahren mit den Entwicklungen im Rechtsextremismus. Er berät zivilgesellschaftliche und staatliche Organisationen im Umgang mit Rechtsextremismus und hält Vorträge bzw. Seminare zum Thema. Seit 2018 hat sich Winkler intensiv mit Reichs- und Verschwörungsideologien auseinandergesetzt. Im Modellprojekt debunk der Amadeu Antonio Stiftung untersucht Winkler pädagogische Handlungsansätze im Umgang mit Verschwörungsideologien.
10. Januar 2022: Rechtsextremismus und jihadistischer Salafismus – Prof. Dr. Müller-Rensch, FH Erfurt/RUK
Jihadistischer Salafismus und extreme Rechte – Zwischen gegenseitigem Vernichtungswillen und Schulterklopfen spannt sich eine paradoxe Freund-Feindbeziehung: Regelmäßig gratulieren sich inzwischen internationale Vertreter beider Lager auf Twitter, Telegram & Co zu „erfolgreich“ durchgeführten Gräueltaten gegen Zivilisten und staatliche Vertreter. In ihrem Vortrag analysiert Müller-Rensch theoriegeleitet Unterschiede wie Gemeinsamkeiten der Akteure und Netzwerke beider Weltanschauungen. Auf dieser Grundlage richtet sie den Blick auf aktuelle Beispiele, um ihre gegenseitige Abhängigkeit – und somit die große Gefahr dieser unheilvollen Beziehung für unsere plurale Gesellschaft – aufzudecken.
Prof. Dr. rer. pol. Miriam Müller-Rensch (Joint Ph.D.) ist Professorin für Soziologie und internationale soziale Ungleichheit an der Fachhochschule Erfurt. Sie ist Leiterin der Forschungsstelle „Radikalisierung und gewaltsame Konflikte: Antworten sozialer Berufe“ der FHE. Ihr am Hamburger Institut für Sozialforschung gestartetes Forschungsprojekt zum „Alternativen Governance-Modus Daeshs (ISIS)“ ist heute Teil der Forschungsgruppe „How Terrorists Learn“ des Max-Planck-Institutes für Anthropologische Forschung in Halle. Zu ihrer jeweils deutschen und kanadischen Alma Mater, der Freien Universität Berlin und der University of Victoria, Canada (UVic) steht Ihre Forschung seit Ihrer Doppelpromotion in Internationalen Beziehungen des Nahen und Mittleren Ostens an beiden Universitäten 2014 im engen Austausch. Ihr interdisziplinäres Profil in Politik-, Islam- und Rechtswissenschaft ermöglicht Ihr einen differenzierten Blick auf Ihren Forschungsschwerpunkt religiöser und politischer Ideologien und deren Wirkweise in modernen Gesellschaften. Mit Praxisbezug forscht und lehrt sie zudem im Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit zu (Gewalt-)Prävention und Radikalisierung, Kriminalität, Regimewandel und Migration als Ursachen und Effekte von Krieg und Konflikt.
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Die Ringvorlesung der RUK als Teil der Strategie „Radikalisierungsprävention [Erkennen] [Verstehen] [Entgegentreten]“ der Fachhochschule Erfurt:
Wenden sich Worte und Taten gegen die Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung aller Menschen, wenden sie sich gegen den Grundkonsens unserer pluralen Gesellschaft. Zunehmend sind Menschen in Deutschland von Rassismus oder Antisemitismus, von der Abwertung ihrer Person aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung und Identität oder einer Behinderung betroffen. Bleiben derlei Äußerungen und Handlungen ohne Gegenrede und Gegenwehr, wird diese Mindermeinung unweigerlich zur Bedrohung unserer freiheitlichen Demokratie. Die Fachhochschule Erfurt setzt sich deshalb aktiv und offensiv für die Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung aller Menschen in allen Lebenssituationen ein und wendet sich explizit gegen die ausschießende Weltanschauung der Ungleichwertigkeit extremistischer Kräfte. Während die „Short Lectures Radikalisierungsprävention“ als erster Anstoß zum Nachdenken und Diskussion über die eigenen Erfahrungen im Umfeld der Hochschule und im Lebensalltag konzipiert sind, sollen die Vorträge, sowie Diskussionen der Ringvorlesung i.S. wissenschaftlicher Multiperspektivität und Kontroversität vertiefen, differenziert problematisieren und kontextualisieren. Die Short Lectures und Ringvorlesung sind Teil der langfristigen Strategie Radikalisierungsprävention zur nachhaltigen Gestaltung des Hochschulortes FHE als weltoffenem Lern-und Forschungsort der Vielfalt.