rechtsextremismus

Die extreme Rechte in Thüringen – [Erkennen. Verstehen. Entgegentreten]

Ein Beitrag von Verena Jung und Miriam Müller-Rensch – Im 2. Inputvortrag Radikalisierungsprävention [Erkennen. Verstehen. Entgegentreten.] der FH Erfurt führte MOBIT aus Erfurt in einem Parforce-Ritt ein in „Die extreme Rechte in Thüringen“. Mit Fokus auf die zentralen Personen und Gruppen gingen die beiden Expert*innen auf die zunehmende Bedeutung dezentraler Strukturen im digitalen Raum und auf den Straßen und Plätzen des Freistaates ein.

Erkennen – Thüringens rechtsextremes Problem

2019 stimmte fast ein Viertel der Thüringer*innen rechtsextremen Aussagen – damit sind rechtsextreme Einstellungen im Bundesvergleich in Thüringen weiterhin sehr verbreitet. (Thüringen Monitor 2019; vgl. Mitte-Studie 2018/2019, Tabelle 4.10). Für die FH Erfurt als Teil der Erfurter Zivilgesellschaft ist das Wissen um die sozialen Netzwerke und Strukturen der extremen Rechten in der Stadt und dem Land Thüringen von besonderer Relevanz. Entsprechend ging der Vortrag den Fragen nach: Welche Rolle spielt Rechtsextremismus in Thüringen? Wie ist die extreme Rechte in Thüringen aufgestellt und welche Akteur*innen sind in der Szene von Bedeutung?

Verstehen – die Bedeutung dezentraler Strukturen 

Für die Referent*innen Romy Arnold und Christian Rühl sind Ungleichwertigkeitsvorstellungen ein zentrales Element des Rechtsextremismus. Diese zeigten sich in chauvinistischen, antisemitischen, fremdenfeindlichen und sozialdarwinistischen Einstellungen. Um extrem rechten Haltungen, Taten und Akteur*innen entgegentreten zu können, braucht es ein Verständnis solch rechtsextremer Strukturen. „Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit“ sieht Arnold daher als wichtigen Aufgabenbereich. Dies ist angesichts sich stetig wandelnder Erscheinungsformen und dezentraler Strukturen der rechten Szene in Thüringen wichtig und herausfordernd zugleich. Beispielhaft wurden im Vortrag einschlägige Parteien, Gruppierungen im Kampfsport, Burschenschaften, rockerähnliche Strukturen, diverse lokale Kleinstgruppen sowie prominente Figuren der Szene vorgestellt, um das breite Spektrum der extremen Rechten in Thüringen zu verdeutlichen. Nicht zuletzt ist Thüringen derzeit das Bundesland mit den meisten rechten Events und neonazistischen Großveranstaltungen in Deutschland. (vgl. MOBIT 2017)

Die Landeshauptstadt Erfurt beschreibt Christian Rühl als „Hotspot“ der extremen Rechten in Thüringen. Deutlich werde dies mit der Summe an rechtsextrem-motivierten Vorfällen und Angriffen in Erfurt im Laufe der letzten Jahre. Trotz wechselhafter, dezentraler Strukturen blieben die rechtsextremen Akteur*innen relativ konstant, wie sich am Beispiel der „Neuen Stärke Partei“ zeige. Auch die rechtsextremen Anhänger*innen des vor einiger Zeit aufgelösten „Kollektiv 56“ seien zu nicht unerheblichen Teilen in anderen rechtsextremen Strukturen wie der „Volksgemeinschaft e.V.“ (heute „Neue Stärke Partei“) aufgegangen, so Rühl.

Thematisiert wurde abschließend die Rolle der extremen Rechten in Bezug auf die bundesweit verbreiteten, sogenannten „Spaziergänge“. Auch in Erfurt und vielen weiteren thüringischen Groß- und Kleinstädten finden regelmäßig die überwiegend unangemeldeten Versammlungen zum „Protest gegen die Corona-Maßnahmen“ statt. Zum diffusen Spektrum der Protestierenden hat MOBIT gemeinsam mit Miteinander e.V. und dem Kulturbüro Sachsen das Analysepapier „Motor der Radikalisierung“ veröffentlicht. Die zivilgesellschaftlichen Träger stellen hier die „aktive Beteiligung der organisierten extremen Rechten“ in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt heraus. (vgl. MOBIT 2021, https://mobit.org/motor-der-radikalisierung/)

Insbesondere diese Hinweise zu den brandaktuellen Dynamiken in der Stadt Erfurt geben Impulse, an der Fachhochschule Erfurt und in der Stadt Haltung zu zeigen gegen rechtsextrem motivierte Worte und Taten, wie auch alle anderen Formen der Abwertung und Diskriminierung.

Entgegentreten – Haltung zeigen gegen rechtsextrem motivierte Worte und Taten

der extremen Rechten in Thüringen entgegentreten
Gemeinsam Haltung zeigen gegen Rechts und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. (Foto ©Colourbox)

Im Anschluss an den Vortrag gab es Raum für Fragen: Wie lässt sich mit der Gefahr diffuser Zusammenschlüsse oder gar Angriffe auf dem Campus, ob analog oder digital, umgehen? „Klare Haltung zeigen und derlei Vorfälle nicht unkommentiert lassen“, ist die Antwort von Projektleiterin Arnold. Dies sei auf persönlicher Ebene und als Studierendenschaft wichtig. Als Institution sei insbesondere die FH Erfurt selbst gefragt. Weitere Rückfragen bezogen sich auf den rechtlichen Status der genannten Gruppierungen und staatliches Handeln in Bezug auf rechtsextreme Strukturen in Thüringen – unter anderem am Beispiel der Ermittlungen zum NSU.

Abschließend richtete Prof. Dr. Frank Setzer, Präsident der FH Erfurt, klare Worte an die Zuhörenden: „Zeigen Sie Haltung gegen rechtsextrem motivierte Worte und Taten und treten Sie derlei Vorfällen klar entgegen“.

 

Die Mobile Beratung in Thüringen – Für Demokratie. Gegen Rechtsextremismus (MOBIT) versteht sich als Partner und Dienstleister für die demokratische Zivilgesellschaft. Gemeinsam mit den Fragestellenden und Ratsuchenden vor Ort – unabhängig ob Privatpersonen, Studierende, Verwaltungen, Schulen, (lokale) Bündnisse, Initiativen, Vereine oder Verbände – werden die spezifischen Situationen analysiert, Handlungsstrategien erörtert, Lösungsansätze entwickelt und bei der konkreten Umsetzung unterstützt. Die Beratung ist offen für alle, die sich für demokratische Grundwerte und gegen die extreme Rechte stark machen wollen. Beratungsanfragen werden vertraulich und anonym behandelt!

Die Fachhochschule Erfurt versteht sich als Lern- und Forschungsort der Vielfalt und möchte mit der internen Veranstaltungsreihe für den Umgang mit diskriminierenden sowie rassistisch-motivierten Äußerungen und Taten sensibilisieren und sich gegen radikalisierte Haltungen stellen. Die dritte Veranstaltung in diesem Format ist für das Sommersemester geplant. Die Vorträge sind Teil der Strategie Radikalisierungsprävention der FHE [Erkennen. Verstehen. Entgegentreten.] Weiterer wichtiger Baustein der Strategie Radikalisierungsprävention ist die Unterstützung aller Hochschulangehörigen, die Diskriminierung, Ausgrenzung, Gewalt und Dynamiken von Radikalisierung erleben oder beobachten müssen, die von Rassismus oder Antisemitismus, von der Abwertung ihrer Person aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung und Identität oder einer Behinderung betroffen sind. Beratung und Unterstützung an der Fachhochschule und durch externe Partner finden Sie hier.

Weiterführende Literaturhinweise (Eine Zusammenstellung von MOBIT)

Herausgeberschaft, Redaktionelle Betreuung und Endredaktion: Miriam Müller-Rensch