Nicht nur denken – auch handeln! Demokratie- und Rechtsstaatsförderung in Zeiten der COVID-19-Pandemie

Ein Beitrag von Verena Jung – Am 30. September 2021 lud das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH zum digitalen Gespräch „Demokratie- und Rechtsstaatsförderung“ ein. Präsentiert wurde die Arbeit des International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) und erste Erkenntnisse des „Global State of Democracy Report 2021“, der im November veröffentlich wurde. 

Wer sind IDEA International?

Während der COVID-19-Pandemie haben Polarisierung und Radikalisierung in unserer Demokratie zugenommen: Dies kann einen Vertrauensverlust in das System bedeuten, zeigt aber vor allem die Vulnerabilität unserer demokratischen Ordnung. Dem daraus resultierenden Bedarf an Demokratie- und Rechtsstaatsförderung begegnet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit einer gleichnamigen Veranstaltungsreihe und nimmt dabei auch die weltweit zunehmenden Autokratisierungstendenzen in den Blick. Im Format diskutieren Vertreter*innen der Ministerien, staatlicher und zivilgesellschaftlicher Träger, sowie wissenschaftliche Institutionen.

„We are a think and do-tank” – Denken und Handeln und ist das Motto des Generalsekretärs von IDEA International Kevin Casas-Zamora.

Staaten und Regierungen bei Aufbau, Erhaltung und Weiterentwicklung demokratischer Strukturen zu unterstützen – das hat sich das International Institute for Democracy and Electoral Assistance (IDEA) zur Aufgabe gemacht. Unter dem Schirm von IDEA kooperieren 33 Mitgliedsstaaten, überwiegend aus Westeuropa und Südamerika zu Wahlprozessen, Verfassungsgebung und politischer Partizipation, Genderfragen und Klimawandel. Konkret leistet IDEA neben Wissensvermittlung durch Forschung und Datenerhebung technische und organisatorische Beratung und Assistenz.

Demokratien im „Gesundheitscheck“

2018 Infographic Democracy Conceptual Framework
konzeptioneller Rahmen des „Global State of Democracy“ Reports (©International IDEA)

Mit dem Ziel regionale, nationale und globale Trends im Bereich der Demokratieförderung zu identifizieren, veröffentlicht IDEA im Zweijahresrhythmus den Global State of Democracy Report mit Daten zu 165 Staaten. Der Analyse liegt dabei ein breites Demokratieverständnis zugrunde, abhängig vom jeweiligen historischen und kulturellen Kontext eines Landes, erklärt Seema Shah, Leiterin des „Democracy Assessment“ von IDEA International. Unterschiedliche Ausprägungen und Formen demokratischer Strukturen berücksichtigend, fokussiert sich der Global State of Democracy Report auf fünf zentrale Eigenschaften von Demokratien: Die Kategorien Repräsentative Regierung, Grundrechte, unparteiische Verwaltung, Partizipation und „Checks und Balances“ im Politischen System.

Wachsender Autoritarismus und “Backsliding” bestehender Demokratien

Wachsender Autoritarismus
Herausforderungen für Demokratie- und Rechtsstaatsförderung: Wachsender Autoritarismus und Verschlechterung demokratischer Strukturen unter der COVID-19-Pandemie (©Colourbox 1601048)

“Building Resilience in a Pandemic Era” lautet der Titel des diesjährigen Reports. In der Ergebnispräsentation äußerte sich Seema Shah alarmierend zum wachsenden Autoritarismus: Die Zahl der Staaten, die sich in eine autoritäre Richtung entwickelten, sei um ein dreifaches höher als jene, die demokratischer werden. Zuletzt hätte die COVID-19-Pandemie zur Verschlechterung demokratischer Strukturen und Erstarkung autoritärer Tendenzen beigetragen.

„Die Zahl der Staaten, die sich in eine autoritäre Richtung entwickeln, ist um ein dreifaches höher als jene, die demokratischer werden!“ (Seema Shah)

Die Forschungsergebnisse belegen eine erhöhte Vulnerabilität und „Backsliding“ (deutsch: zurückrutschen) der untersuchten Demokratien: In mehr und mehr Staaten lässt sich zumindest bezüglich einer Kategorie eine signifikante Schwächung verzeichnen. Hinzu kommen stagnierend hohe Korruptionslevel und ein weltweiter Tiefstand in der gerichtlichen Unabhängigkeit. Insgesamt leben nur neun Prozent der Welt in „high performing“, also leistungsstarken Demokratien. Positiv wertet Shah hingegen aktuelle Protestbewegungen sowie die Durchführung von Wahlen unter widrigen Bedingungen in vielen Ländern.

Nicht nur Denken – auch Handeln: Demokratien wieder auf Kurs bringen

Wie Demokratien gestärkt und demokratische Prozesse anschlussfähig gestaltet werden können, sind die zentralen Fragen, die im Anschluss diskutiert werden: Es müssen neue Wege identifiziert und durch fachlichen Austausch begleitet werden. Nur dann kann Demokratie- und Rechtstaatsförderung angesichts zunehmender Autokratisierung von Staaten gelingen. Martina Metz vom BMZ weist auf die Bedeutung der Vernetzung verschiedener Akteure hin. Wie dies konkret umgesetzt werden kann, sollen dann die Folgeveranstaltungen beantworten.

Wir als Forschungsstelle RUK denken dabei vorallem auch an die Rolle von Universitäten und Hochschulen als geschütztem Diskussionsraum, um Demokratien (wieder) zu stärken. An der Fachhochschule Erfurt wird dies am Beispiel der „Strategie Radikalisierungsprävention“ [Erkennen. Verstehen. Entgegentreten.] konkret: Mit sechs Bausteinen zielt die FHE auf die nachhaltige Gestaltung des Hochschullebens und Hochschulortes FHE als weltoffenem Lern- und Forschungsort der Vielfalt und ein Ausstrahlen in die Stadt Erfurt. Mehr zu den bereits durchgeführten und noch geplanten Veranstaltungen, Workshops und Initiativen lesen Sie hier in Kürze auf dem RUK-Blog.

Verena Jung studiert Internationale Soziale Arbeit (M.A.) an der Fachhochschule Erfurt und arbeitet als wissenschaftliche Assistentin an der Forschungsstelle RUK. In ihrem Masterprojekt beschäftigt sie sich mit der Frage nach dem Kindeswohl in der Radikalisierungsprävention.

Bibliografie

  • International Institute for Democracy and Electoral Assistance (2021). The Global State of Democracy 2021. Building Resilience in a Pandemic Era. Verfügbar unter: https://www.idea.int/gsod/ (letzter Zugriff: 09.02.2022)

Herausgeberschaft, Redaktionelle Betreuung und Endredaktion: Miriam Müller-Rensch